Page 36 - Willy Blaser - Trekking zum Kangchenzunga, 2. Versuch
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Ruhetag wird es wohl angesichts der kurzen Etappe nach Ghunsa nicht geben. Schon nach den
ersten Schritten fühle ich mich erschöpft. Ich kann mich kaum auf den Beinen halten. Ob, das
wohl gut gehen wird? Auf dem 4. Pass, dem Sele La (4290 m) sind wir mit Fritz und den
Trägern noch alle zusammen. Bis Ghunsa werde ich niemanden mehr sehen, ausser Pasang
und Ram die bei mir sind.
Links: das Camp in Selele – Rechts: Der Löwe von Sinelapche (Kreis)
Selele La: der letzte Pass vor dem Abstieg nach Ghunsa
Wer gedacht hat, jetzt würde es rapide hinunter nach Ghunsa gehen, hat sich gewaltig
getäuscht. Nach jedem Bergrücken folgt ein anderer. Um 11.00 Uhr zeigt mein Höhenmesser
noch immer über 4000 Meter an. Wann kommt denn endlich dieser Abstieg? Ich habe Hunger.
Als ich Ram frage wann und wo es das Mittagessen gibt, antwortet er lakonisch „no Lunch!“.
Ich bin verdutzt. Das kann doch nicht sein. Spinnen die eigentlich einem nichts Essen zu
geben? Wie soll man eine körperliche Leistung vollbringen, wenn einem nichts gefuttert wird?
Ich bin wütend und fluche lauthals heraus. Und was zu befürchten war trifft kurze Zeit auch
wieder ein: ich komme erneut kaum mehr vorwärts. Die Rettung ist ein Chapati das ich im
Rucksack vergessen hatte. Endlich geht es durch dichten Rhododendronwald hinunter zum
Yamtari Khola. Rechterhand öffnet sich das Tal, welches zum Lapsang La führt. Das Rauschen
des Baches wird immer lauter. Kurz vor Erreichen der Brücke kommt ein Träger mit Tee
entgegen. Vermutlich hatten sie in Ghunsa Bedenken, dass ich erneut zu später Stunde
eintreffen würde. Noch immer erbost trinke ich nichts davon. Können die selber saufen! Zu
allem Übel verspüre ich nun auch noch schmerzhafte Stiche im Fussgelenk. Ich muss die
Bergschuhe ausziehen. Mit den Turnschuhen geht es besser. Endlich erreiche ich die Brücke.